„Wir haben nur Gutes erlebt und erfahren.“

Annekatrin Jordan ist Kinderkrankenschwester für Pädiatrische Intensivmedizin und Anästhesie in der Klinik für Neonatologie an der Charité. Dort ist sie auch als Referentin in der perinatologischen Fort- und Weiterbildungen tätig. An der Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften studiert sie berufsbegleitend im Fach Erweiterte klinische Pflege mit Schwerpunkt Anästhesie und Intensivpflege.

Sie ist Mutter eines inzwischen fast 16jährigen Sohnes und war von 2011 bis 2020 Kundin von KidsMobil.

Wir freuen uns, dass uns auch Paul Jordan im Anschluss an das Interview mit seiner Mutter einige Fragen beantwortet hat. Das Interview mit ihm findet sich am Ende des Textes.

Das Interview führte Christina Cassim.

 

(Foto: philipp_jech_photographie)

Frau Jordan, Sie waren mehr als 8 Jahre lang Kundin von KidsMobil und haben somit sehr viele Erfahrungen machen können. Erst vor Kurzem haben Sie aufgehört, KidsMobil zu nutzen.

 

Annekatrin Jordan: Ja, mein Sohn Paul ist letztes Jahr 15 geworden und wir haben KidsMobil so lange wie möglich genutzt. Ich bin alleinerziehend, mein Sohn ist Einzelkind. Ich kenne genug Menschen, die noch als Erwachsene sagen: Das war die schlimmste Zeit für mich, wenn meine Mutter nachts arbeiten ging und ich allein zu Hause war. Deshalb war es mir immer wichtig zu wissen, dass nachts jemand da ist. Tatsächlich ist jetzt mit fast 16 der Punkt gekommen, wo mein Sohn von sich aus sagt, dass das nicht mehr nötig ist. Das war also schön, ein „begleiteter Übergang“ zum Großwerden.

 

Als Alleinerziehende ist ein Dienst mit Wechselschichten vermutlich kaum zu bewerkstelligen.

 

Pauls Vater ist Arzt und konnte seine Dienstpläne zunehmend nur sehr kurzfristig einreichen, so dass ich sie mit meinen Diensten, die teilweise 2 Monate im Voraus schon feststanden, gar nicht abstimmen konnte. Solange er klein war, habe ich Paul oft für eine ganze Woche zu den Großeltern in die Lausitz gebracht. Seit er ein Schulkind war, ging das dann natürlich nicht mehr. Es gab auch Situationen, als Paul krank war – nicht krank genug, um im Bett zu liegen, aber zu ansteckend, zum Beispiel mit den Windpocken, das konnte ich Oma und Opa dann auch nicht zumuten. KidsMobil konnte dann trotzdem kommen: „Dann schicken wir Dir jemanden, der schon Windpocken hatte“. Das war schon gut.

 

Das sind ja eigentlich prototypische Einsatzbereiche von KidsMobil: Dienstliche Notsituationen, Rekonvaleszenzzeiten. Wie haben Sie von dem Angebot erfahren?

 

Auf das Angbot von KidsMobil hat mich die chirurgische Oberärztin, Frau Professor Doktor Merzhäuser, hingewiesen, die das Angebot auch selbst nutzte. Ich hatte ihr erzählt, dass ich Paul zu den Großeltern bringen wollte, und sie schlug mir vor: Nimm doch KidsMobil, die kommen sogar nach Hause. Ich habe mich dann informiert und das dann schrittweise für mich ausgebaut.

Inzwischen mache ich selbst ordentlich Werbung für KidsMobil, aber viele Pflegekräfte schrecken davor zurück, das Angebot in Anspruch zu nehmen. Eine Hürde steckt in der Formulierung „Notbetreuung“, denn viele Pflegekräfte sind nicht sicher, ob der Begriff „Notsituation“ auf sie zutrifft. Pflegekräfte ticken eher so, dass sie versuchen, selbst klarzukommen und scheuen davor zurück, Kosten zu verursachen.

Und dann ist da die Angst, Menschen nach Hause zu kriegen, die man nicht kennt. Ich sage dann immer, dass man Betreuer*innen auch vorab kennenlernen könne, so dass man für den Notfall wüsste, wer kommt. Viele glauben, ihre Kinder seien nicht offen dafür, noch dazu, wenn eine Notsituation eintritt.

 

Sie haben das Angebot zwischen 2011 und 2020 genutzt. In all den Jahren waren viele verschiedene Betreuer*innen bei Ihnen im Einsatz. Wie haben Sie das empfunden?

 

Am Ende waren hauptsächlich 2 Betreuer*innen bei uns, da hatten wir nur noch ganz selten jemand anderen, wenn die beiden nicht konnten. KidsMobil verfolgt das Konzept, dass man nach Möglichkeit dieselben Betreuer*innen bekommt. Ab einem gewissen Punkt habe ich einfach auf Frau Radtkes Personenkenntnis vertraut und wusste, dass gute Leute kommen und keinen Vorab-Kennenlerntermin mehr ausgemacht. Ich wusste einfach, dass ich nach ein paar Einweisungen beruhigt zur Arbeit gehen konnte.

Mit dem Betreuer Michèl hat es dann einfach so gut gepasst, dass wir glücklich waren, dass er immer wieder zu uns kommen konnte. Désirée kam dann durch die Vermittlung von Michèl. Da hat sich dann auch ein besonderes Verhältnis entwickelt. In den Ferien haben Paul und Désirée dann immer schon vorab ausgemacht, welchen Film sie zusammen kucken und Süßigkeiten besorgt. Wenn ich zum Nachtdienst musste, ging also zu Hause die Pyjamaparty ab.

Die Betreuer*innen bringen einfach noch Persönlichkeitsaspekte mit, die man selbst nicht bieten kann. Ich habe diese zusätzlichen Bezugspersonen wirklich als Bonus, als Bereicherung empfunden für Pauls Entwicklung. Zu der Zeit, als Paul zwischen 5 und 7 war, kam oft Fabian, ein Sozialpädagoge, der unheimlich tolle Legolandschaften mit Paul gebaut hat. Natürlich gab es auch lustige Erlebnisse: Beispielsweise kam ich einmal vom Unterricht in der Fachweiterbildung und mein Kind erzählte mir freudestrahlend, es habe Winter gespielt. Überall in der Wohnung war Zucker verstreut und sämtliche Legofiguren waren damit bedeckt. Die Betreuerin war mit Kochen beschäftigt (denn die Betreuer*innen von KidsMobil kochen auch!) und hatte das gar nicht mitgekriegt.

Insgesamt kamen von KidsMobil einfach immer tolle Leute. So viele unterschiedliche Persönlichkeiten mit interessanten Berufen. Viele haben eine pädagogische Ausbildung, viele sind Studierende. Es hat immer Spaß gemacht, mit ihnen in Kontakt zu kommen und das Procedere war immer unkompliziert. Tatsächlich kam es nie vor, dass es gar nicht gepasst hat.

 

Gehören Spät- und Nachtdienste unvermeidlich zum Pflegeberuf?

 

Laut meinem Arbeitsvertrag bin ich mit 38 Wochenstunden im Dreischichtsystem angestellt und zu Nachtdiensten verpflichtet. Man arbeitet dann auch am Wochenende und an den Feiertagen und erhält dafür eine Wechselschichtzulage. Ohne die Bereitschaft dazu könnte man in der stationären Betreuung nicht arbeiten – denn dann würden viele in der Belegschaft sagen: „Ich auch nicht“, und es wäre keine zuverlässige Versorgung mehr zu gewährleisten.

In meinem Bereich bin ich immerhin dankbar darüber, einen Wunsch-Dienstplan schreiben zu können. Dieser wird dann von der Dienstplan-Verantwortlichen zusammengefügt. Wo es nicht ganz passt, muss man aber manchmal eben auch ungewollt einen Nacht- oder Spätdienst übernehmen.

 

Haben Sie den Eindruck, dass die Informationen zu dem Betreuungsangebot überall bekannt sind?

Wir haben zwar an verschiedenen Stellen die Flyer ausliegen, aber so richtig offensiv wird es nicht beworben. Bei vielen Berufsgruppen scheitert es schon daran, dass ihre Vorgesetzten nicht informiert sind. Chefärzte, die ja die Anträge für ihre Stationsärzte und Assistenzärzte unterschreiben müssen, tun oft so, als müssten sie die Kinderbetreuung aus eigener Tasche bezahlen. Ich habe schon vielen Assistenzärzte und -ärztinnen von dieser Unterstützungsmöglichkeit erzählt. Dann drucke ich schon die Anträge aus und beschreibe das Procedere, aber es scheitert an der übergeordneten Stelle, weil sie nicht informiert ist und sich nie mit Familienfreundlichkeit auseinandergesetzt hat. Sicher gibt es auch viele pflegerische Leitungen, die so funktionieren. Ich selbst habe mit meiner Leitung wirklich Glück, weil sie sich überlegt: Was kann ich tun, um mein Personal zu unterstützen und zu halten?

 

Sie bekleiden ja nicht nur eine besondere Position in der Neonatologie, der Frühgeborenen-Intensivpflege, sondern geben auch Fortbildungen, halten Vorträge, schreiben Zeitungsberichte und studieren berufsbegleitend. Wird Ihnen deswegen eine besondere Behandlung zuteil?

 

Ich hoffe nicht. Meine Chefin vertritt als Sprecherin den Berufsverband der Kinderkrankenpflege in der wissenschaftlichen Sektion für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin. Sie weiß, dass sich Kliniken in allen Bundesländern beim Thema Kinderbetreuung positionieren müssen, um dem Pflegenotstand zu begegnen. Ich selbst habe auf der Versammlung der GNPI (Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedzin e.V., Anm. d. Red.) in Rostock 2018 vom flexiblen Kinderbetreuungsangebot KidsMobil berichtet und großes Erstaunen ausgelöst. Klinken haben sich derzeit darüber Gedanken gemacht, wie sie den seit 2016 verankerten erhöhten Betreuungsschlüssel gewährleisten können und das Konzept von KidsMobil ist dabei eine wesentliche Stütze.

 

Haben Frauen in Leitungspositionen mehr Verständnis für die Bedürfnisse von Eltern?

 

Meine Chefin hat natürlich die Situation von Frauen und Müttern viel mehr im Blick, als viele Männer der älteren Generation, die selber nie viel mit der Kindererziehung zu tun hatten und sich auf eine Frau verlassen haben, die zu Hause blieb. Da zeigt sich wirklich ein Wandel. Junge Männer, die jetzt Väter werden, nehmen ganz selbstverständlich Elternzeit in Anspruch. Wir haben mittlerweile auch einen Männerbeauftragten und einen Väterbeauftragten an der Charité, die ordentlich dafür gekämpft haben, dass das alles auch für Väter möglich wird. Männer der älteren Generation haben oft kein Verständnis für die Bedürfnisse von Familien oder für neue Familienkonzepte. Heute ist es nicht mehr ungewöhnlich, alleinerziehend zu sein; viele Kinder leben bei einem Elternteil oder werden in Wechselmodellen groß. All diese Familien brauchen ein Back-Up, um ihre Arbeit gut machen zu können.

Und selbst wenn beide Elternteile zusammenleben und berufstätig sind, womöglich beide im Schichtdienst, gibt es diese Betreuungslücken. Viele Berufsgruppen in Berlin haben ja auch keinen variablen Schichtplan wie wir, sondern einen starren Wechsel, und nicht immer kann der Partner das ausgleichen.

 

Zusätzlich absolvieren Sie auch noch ein Studium an der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften.

 

Ja, im Studiengang „Erweiterte klinische Pflege“, mit Vertiefung Anästhesie und Intensivpflege mit dem Ziel, die Qualität der Pflege zu verbessern. Das Studium ist ein Hybrid aus Pflegewissenschaft und Pflegeforschung und soll zukünftig die Fachweiterbildung ersetzen. Mir gefällt die Verbindung der Tätigkeit am Patienten in Verbindung mit wissenschaftlicher Recherche. Der Vergleich von Ergebnissen anderer Kliniken, diese auszuwerten und dadurch unsere Pflegestandards und Verfahrensregeln anzupassen und zu optimieren, macht mir persönlich großen Spaß.

 

Der zeitliche Aufwand so eines Studiums ist natürlich eine weitere Herausforderung für Eltern.

 

Das Studium ist berufsbegleitend. Die Charité stellt eine Anzahl von Studientagen bereit, um Seminar- und Präsenztagen wahrnehmen zu können. Inzwischen ist sowieso alles auf Online-Unterricht umgestellt. Trotzdem muss man den Unterrichtseinheiten live beiwohnen, denn es wird nichts aufgezeichnet.

Wir haben viele Studierende, die schon Kinder haben oder während des Studiums Eltern geworden sind, Kinderbetreuung ist also ein großes Thema. Dazu kommen die Schwierigkeiten mit Corona, in denen man neben dem Studientag die Kinder beaufsichtigen oder sogar beschulen muss. Ich habe mehrere Kolleginnen gehabt, die sich dann komplett aus dem Unterricht verabschiedet haben, weil sie das nicht leisten konnten.

 

Es scheint, als gäbe es trotz allem viele innere Hürden, den Kinderbetreuungsservice für sich in Anspruch zu nehmen.

 

Tatsächlich habe ich auch immer wieder ein schlechtes Gewissen gehabt und mich dann damit beruhigt, dass meine Patient*innen gut versorgt sind. Auch das Einspringen in anderen Bereichen hätte ich sonst nicht möglich machen können. In einem hochsensiblen Bereich wie bei uns auf der Neonatologie verzichten wir auf Leasingpersonal, weil es wichtig ist, dass die Standards, die wir gesetzt haben, genau so umgesetzt werden.

Schon aus Kostengründen ist es ohnehin in jedem Fall besser, man schließt die Lücken mit den eigenen Leuten, denn die Kosten für Kinderbetreuung sind gering im Vergleich zu einer hochdotierten Intensivpflegekraft. Es ist also im Interesse des Arbeitgebers, die Hürden so gering wie möglich zu halten.

 

Sie würden Arbeitgeber*innen und Eltern also dringend empfehlen, KidsMobil einzusetzen.

 

Insgesamt kann ich einfach nur ein großes Lob für dieses ganze Konzept aussprechen, insbesondere auch für Christiane Radtke, aber auch für die Kolleg*innen im Koordinationsbüro. Sie kennen die Bedürfnisse, können die Situation genau einschätzen und vermitteln das wertschätzende Gefühl, man wird jedes Problem jetzt gemeinsam lösen. Für mich war es immer so, als riefe ich eine gute Bekannte an und bitte sie um einen Gefallen. Und dann beeindruckt mich das gute Feeling, das sie haben bei der Auswahl der Leute. Man ist über die Jahre so zusammengewachsen und fühlt sich auch im Nachhinein sehr verbunden. Wir haben nur Gutes erlebt und erfahren.

Liebe Frau Jordan, ich bedanke mich für das Gespräch!

 

 

Paul Jordan war zum Zeitpunkt des Interviews fast 16 Jahre alt. Im Alter zwischen 6 und 14 Jahren haben ihn Betreuer*innen von KidsMobil häufig während der Nachtdienste seiner Mutter zu Hause betreut.

 

Du warst 6 Jahre alt, als Deine Mutter anfing, das Angebot von KidsMobil zu nutzen. Wie war das für Dich, dass nachts Leute bei Dir waren, die Du kaum kanntest?

 

Das war am Anfang seltsam, aber ich habe mich recht schnell daran gewöhnt. Die Betreuer kamen am Abend, ich habe die meistens kurz getroffen und bin dann ins Bett gegangen. Morgens haben wir zusammen gefrühstückt, bevor ich zur Schule gegangen bin. Später, als ich älter wurde, haben wir auch mal einen Film zusammen gekuckt oder eine Serie.

 

Kannst Du Dich an viele Betreuer*innen erinnern?

 

Ich kann nicht sagen, wie viele es waren, es waren recht viele. Wir hatten immer so unsere Hauptleute, aber zwischendurch kamen auch immer wieder andere. Mit der Zeit hatten wir dann so unsere Lieblinge, mit denen habe ich mich besonders gut verstanden, dann haben wir gemeinsam beschlossen, dass die wiederkommen sollen. Wir haben gern die gleichen Sachen gemacht und sie waren sehr nett. Wir hatten zum Beispiel einen gemeinsamen Geschmack, was Filme angeht, und konnten morgens beim Frühstück gut darüber sprechen.

 

Die Leute von KidsMobil sind gekommen, bis Du 15 warst. Hast Du dann beschlossen, dass es jetzt reicht?

 

Ich wollte die Betreuung bis zum letzten Moment haben, es hätte für mich auch noch länger gehen können. Man fühlt sich sicherer, wenn man weiß, dass jemand da ist, falls man nicht gut schläft oder so.

 

Was würdest Du mit Deinen Erfahrungen anderen Eltern und Kindern raten, die sich überlegen, KidsMobil zu buchen?

 

Ich kann es nur empfehlen, es war schön, dass jemand da war, und für mich wurden die Leute von KidsMobil Freunde.

 

Danke, lieber Paul, für das Gespräch.

 

 

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