Interview mit Frau Prof. Dr. Hauser: „Wenn mir etwas geholfen hat, dann das!”

Prof. Dr. med. vet. Anja Erika Hauser leitet die Arbeitsgruppe Immundynamik am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin und ist Professorin an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und Klinische Immunologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Das Interview führte Christina Cassim.

 

 

Frau Professor Hauser, Sie haben 2 Kinder, 6 und 10 Jahre alt, und sind seit 10 Jahren Kundin bei KidsMobil. Ihr erstes Kind war also gerade erst ein halbes Jahr alt, als Sie begannen, die Betreuung zu nutzen. Wie kam es dazu?

 

Prof. Dr. med. vet. Anja Erika Hauser: Ich habe gerade angefangen, mein Labor aufzubauen, als ich mein erstes Kind erwartete. Der Beginn einer wissenschaftlichen Laufbahn fällt ja oft in die Zeit, in der man Kinder bekommt. Es gibt dafür bekanntlich nicht den idealen Zeitpunkt. Man muss sich halt gut organisieren – egal, in welcher Lebensphase man sich befindet. Und dann ist man froh, wenn man Hilfe hat.

Ich war damals zu einer Drittmittelinitiative eingeladen worden und hatte schon im Laufe der Schwangerschaft den Antrag dafür geschrieben, denn solche Drittmittel sind häufig der einzige Weg, an Budgets zur Frauen- oder Familienförderung zu kommen. Und damit an eine Kinderbetreuung wie KidsMobil.

 

Wie sah der Alltag für Sie als Wissenschaftlerin mit kleinen Kindern aus?

 

In beiden Fällen habe ich 8 Monate Elternzeit gemacht, ab dem 9. Monat habe ich dann wieder Vollzeit gearbeitet. Beide Kinder waren früh in der Kita. Mein Mann, der ebenfalls Vollzeit arbeitet, hat mich komplett unterstützt – oder vielmehr haben wir eine Abmachung, uns gegenseitig zu unterstützen. Wir haben uns eine feste Struktur gegeben: Wenn keine Dienstreisen anstehen, musste die Woche nach einem bestimmten Schema ablaufen und wir haben versucht, darum herum zu planen. Einer musste abholen, der andere durfte bringen und deshalb länger arbeiten, Mittwochs war unser KidsMobil-Tag, wo beide lange arbeiten konnten. Das haben wir dann jahrelang so durchgezogen.

 

Viele Frauen schieben den Zeitpunkt für eine Familiengründung weit nach hinten oder verzichten zugunsten ihrer Arbeit ganz auf eine Familie. Wie hat KidsMobil Ihnen als junger Wissenschaftlerin mit kleinen Kindern geholfen?

Mir persönlich hat die Familie geholfen, mich zu fokussieren. Beispielsweise glaube ich, dass ich wissenschaftliche Zusammenhänge besser erklären kann, weil ich im Umgang mit Kindern viel darüber lerne, Dinge „einfach“ zu erklären. Als Wissenschaftlerin habe ich natürlich gewisse Freiheiten, was zum Beispiel die Arbeitszeiten angeht: Man muss nicht pünktlich um 8 im Büro sein – und es hat auch niemand etwas dagegen, dass man dann noch nachts an einem Paper arbeitet. Natürlich habe ich das auch oft als stressig empfunden. Aber wenn man in der Wissenschaft etwas erreichen will, muss man dafür brennen. Und dafür sorgen, dass man die Unterstützung bekommt, die man braucht.

Uns hat es extrem geholfen zu wissen, dass da jemand kommt, den die Kinder kennen, dem wir vertrauen können. Besonders dann, wenn etwas Besonderes anlag – wenn zum Beispiel eine Dienstreise anstand oder einer von uns 2 – 3 Tage unterwegs war auf einer Konferenz, dann haben wir KidsMobil in Anspruch genommen.

 

Sie haben also sowohl eine regelhafte Betreuung genutzt als auch Notzeiten- und tageweise Betreuung.

Ja. Wir haben auch keine Eltern oder Schwiegereltern in der Nähe, daher war es unheimlich wichtig, dass da jemand ist, wo einfach Vertrauen da ist. Wenn die Kinder richtig krank waren, ist natürlich immer einer von uns zu Hause geblieben. Wenn es ihnen wieder einigermaßen gut ging, konnte man bei KidsMobil anrufen und die haben dann jemanden vorbeigeschickt. Die Kinder kannten die Person in den meisten Fällen und das war toll für sie. So konnten sie in ihrer eigenen Umgebung sein und in Ruhe wieder richtig gesund werden. Diese Flexibilität hat mir unheimlich geholfen. Ich kann nur sagen: Wenn mir etwas geholfen hat, dann das!

 

Sie nutzen KidsMobil nach wie vor …

 

Die Pandemie-Zeit, wo wir alle häufig von zu Hause gearbeitet haben, hätten wir ohne den Betreuer von KidsMobil wahrscheinlich nicht überstanden. Der Kontakt war natürlich besonders intensiv – vorher ist es ja nie vorgekommen, dass wir parallel mit der Betreuungsperson zu Hause waren. Wir haben dann auch zusammen gegessen und viele Stunden in der Wohnung zugebracht, das hat uns richtig zusammengeschweißt. Der Betreuer hat sich sehr streng daran gehalten, außer uns keine anderen Aufträge anzunehmen und sich regelmäßig zu testen. Das war selbstverständlich und das Vertrauen war einfach da. So konnten mein Mann und ich ohne Einbußen unserer Arbeit nachgehen. Wir haben eine Videokonferenz nach der anderen gehabt, ich konnte weiter meiner Wissenschaft nachgehen, publizieren und hatte keinen Einbruch meiner Produktivität – im Gegenteil, wir haben noch ein großes Corona-Projekt hinzubekommen. Ohne zuverlässige Betreuung wäre das nicht möglich gewesen.

 

In den vergangenen 10 Jahren sind 20 unterschiedliche Betreuer*innen zu Ihnen nach Hause gekommen, das waren also immer wieder neue Menschen. Stellen sich neue Betreuer*innen beim ersten Mal bei Ihnen vor?

Ja, meistens haben wir es so gemacht, dass wir uns dann gleich bei der Kita getroffen haben, damit auch die Erzieher*innen wissen, wer da kommt. Es ist nie vorgekommen, dass es nicht gepasst hat. Mein Mann und ich haben oft gedacht: Wie kann es sein, dass KidsMobil immer so tolle Leute findet? Ganz unterschiedlich und immer ganz besondere Persönlichkeiten. Oft, wenn Betreuer*innen aufgehört haben, haben wir anschließend noch mit ihnen Kontakt gehabt.

 

Eltern brauchen also vor allem die Bereitschaft, sich auf unterschiedliche Bezugspersonen einzulassen.

Ich habe mir nie Sorgen gemacht, denn ich wusste, es kommen Leute zu uns, die gern mit den Kindern zusammen sind, und die Kinder mögen diese Leute. Sie waren wie ein Teil der Familie und haben noch mal einen anderen Schwung und neue Aspekte eingebracht, von dem wir alle profitiert haben. Eine Betreuerin hat beispielsweise immer tolle Ausmalbilder mitgebracht, ein Betreuer ist mit den Kindern Graffiti-Sprühen gegangen, für eine andere Betreuerin war Bewegung total wichtig. Für uns war die Betreuung immer eine Bereicherung. Das setzt natürlich voraus, dass beide Seiten dazu bereit sind.

 

 

Wie läuft in Ihrem Fall die Genehmigung der Betreuungsstunden?

 

Die wissenschaftlichen Koordinator*innen, die für die Verwaltung der Drittmittel zuständig sind, genehmigen normalerweise die Betreuungsstunden. Je nach Förderinstrument ist das Verfahren unterschiedlich, beispielsweise wurde bei manchen Förderungen die Finanzierung nur für Reisezeiten übernommen, nicht aber die regelhafte Betreuung. In den meisten Konsortien existieren Gelder zum Gender-Funding, die nicht gering bemessen sind und ausschließlich dafür eingesetzt werden können. Interessanterweise gibt es nicht selten Probleme, diese Mittel auszugeben. Das Geld muss dann zurückgezahlt werden an die Fördergeber, zum Beispiel die DFG. Ich kann das immer gar nicht glauben und weiß nicht, woran das liegt. Natürlich setze ich mich dafür ein, das Angebot beim SFB (den Sonderforschungsbereichen der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Anm. d. Red.) für Doktorant*innen und Post-Docs bekannt zu machen und Eltern zu überzeugen, die Betreuungsleistungen auch abzurufen. Während einer Konferenz, die ich selber mit organisiert habe, konnten wir KidsMobil sogar auf dem Campus nutzen und so Müttern ermöglichen, an der Konferenz teilzunehmen, während nebenan die Kinder betreut wurden.

 

Erfolgreich in Beruf und Familie – Sind Sie damit in Ihrem Umfeld heute immer noch ein Einzelfall?

Es gibt schon Frauen mit Familie, die beruflich auf diesem Level sind – aber natürlich sehr viel weniger als Männer. Und ich sehe auch immer wieder, an welchem Punkt die Leute dann aussteigen und sich anstelle der akademischen Forschung vielleicht doch für einen Job in der Industrie entscheiden, mit geregelten Arbeitszeiten.

Ich selber habe meine Laufbahn nicht so genau vorausgeplant, aber immer, wenn sich eine Chance geboten hat, habe ich sie ergriffen. Als mein Sohn ein halbes Jahr alt war, nur 1,5 Jahre nachdem ich angefangen hatte, mein Labor aufzubauen, hatte ich die Chance, mich um eine Professur zu bewerben. Das hätte ich sicher nicht gemacht, hätte ich Sorgen gehabt, wie mein Kind betreut ist. KidsMobil hat mir die nötige Flexibilität und Sicherheit dazu gegeben.

 

Wie erleben Sie die Frage denn bei Ihren männlichen Studierenden, ist Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Laufbahn und Familie für sie ein Thema?

Tatsächlich sind das eher die Frauen, die sich darüber Gedanken machen.
Als ich angefangen habe mit meinem Labor hatte ich kaum männliche Bewerber. Das hat sich inzwischen geändert, wahrscheinlich weil wir beweisen konnten, dass wir einiges leisten.
Ich erlebe das auch mit den Frauen, mit denen ich zusammenarbeite, da besteht das Bedürfnis, Netzwerke zu bilden und sich in Gemeinschaft eine Position aufzubauen. Solche Verbündeten sind sehr wichtig.

Weder in meinem familiären Umfeld noch während Schulzeit oder Studium habe ich große Geschlechterungleichheit erlebt – im Fach Tiermedizin studieren 90 % Frauen, der Anteil der Promotionen von Frauen überwiegt allgemein in den Naturwissenschaften. Aber je weiter ich komme, umso mehr bemerke ich ein Ungleichgewicht. Man muss sich nur mal anschauen, wie viele Männer Professuren innehaben. Und selbst wenn Frauen nachrücken: Wie sind die Möglichkeiten verteilt, zu entscheiden und zu gestalten?

 

Würden Sie Ihren Studierenden Mut machen, zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn eine Familie zu gründen?

Ich habe mir darüber nie viele Gedanken gemacht und hatte selber keine Mentor*in, aber inzwischen habe ich gehört, dass ich gelegentlich als „Role Model“ gesehen werde. Da ist mir bewusst geworden, dass ich die Erfahrung, was ich gebraucht habe, tatsächlich nutzen und vermitteln muss, um andere zu informieren und zu ermutigen: nämlich, dass ich meine Zeit frei einteilen konnte in der Gewissheit, dass es meinen Kindern gutgeht. Und nur, wenn man konzentriert arbeiten kann, ist es auch möglich, die Familienzeit mit freiem Kopf zu genießen und sich den Kindern ganz zu widmen.

Karriere und Familie geht natürlich alle an. Es geht, wenn man es möchte. Aber es liegt natürlich auch an uns, die Möglichkeiten zu nutzen und die Informationen zu verbreiten.

Übrigens: mein Sohn hat durch die Betreuung während des Home-Schoolings das beste Zeugnis nach Hause gebracht, das er je hatte!

 

Frau Professor Hauser, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

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