KidsMobil – ein Interview mit Christiane Radtke

Mit dem Service zur flexiblen Kinderbetreuung KidsMobil leisten Die Bildungspartner einen Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie in großen Unternehmen. Seit 2013 gehört das Projekt zu SOCIUS, das Angebot gibt es aber schon fast zehn Jahre. Christiane Radtke, Leiterin von KidsMobil, gibt Auskunft über Anliegen und Abläufe.

int_kidsmobil_00Entstanden ist die Idee für eine flexible Kinderbetreuung im Austausch mit den Frauenbeauftragten von Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH und der Charité-Universitätsmedizin Berlin. In Kliniken wird besonders in den Wintermonaten, wenn der Krankenstand bei Pflegepersonal und ÄrztInnen hoch ist, das Erstellen von Dienstplänen ein fragiles Konstrukt. Im Notfall muss dann auf teures, oft nicht eingearbeitetes Leasingpersonal zurückgegriffen werden. Die Sozialpädagogin Christiane Radtke, selbst Mutter und durch Schichtdienste in der Jugendarbeit mit dem Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Famile“ vertraut, entwickelte 2006 / 2007 in Zusammenarbeit mit der damaligen Sprecherin der Frauenbeauftragten von Vivantes, Ina Colle, das Konzept: Der Arbeitgeber stellt Eltern in dienstlichen Notsituationen die flexible Kinderbetreuung kostenlos zur Verfügung.

„Angefangen hat KidsMobil als reiner Notbetreuungsservice für ÄrztInnen und Pflegepersonal. Qualifizierte BetreuerInnen kümmern sich um die Kinder meist zu Hause in der elterlichen Wohnung, holen sie bei Bedarf aber auch von Schule oder Kita ab, begleiten sie zum Sportunterricht oder gehen auf den Spielplatz. Besonders für Alleinerziehende oder wenn beide Eltern im Schichtdienst arbeiten, bedeutet das für alle Beteiligten eine erhebliche Entlastung.“

 

Bewusstseinswandel bei Eltern und Vorgesetzten

Neben Vivantes und Charité nutzen auch die Paul-Gerhard-Diakonie, die Alexianer, das Helios-Klinikum Berlin Buch und ab März 2016 der Verbund der DRK-Kliniken das Angebot. Längst sind es nicht mehr nur weibliche Pflegekräfte und Ärztinnen, auch viele junge Ärzte, Pfleger und Wissenschaftler machen inzwischen von KidsMobil Gebrauch.

„Hier lässt sich über die Jahre wirklich ein Wandel beobachten. Noch vor ein paar Jahren durfte sich der Chefarzt mokieren, wenn junge Kollegen sich an der Kindererziehung beteiligen wollten. Es wurde voraus­gesetzt, dass das Sache der Ehefrauen sei, die natürlich bei ihrer eigenen Karriere zurückzustecken hatten. Heute ist Gleichberechtigung in der Kinderbetreuung für junge Eltern auch und gerade in gehobenen Positionen viel selbstverständlicher geworden.“

Im Zuge dieser Entwicklung bedienen sich auch große Universitäten des Service von KidsMobil: Die Humboldt-Universität, die Fakultät der Charité-Universitätsmedizin mit ihrem Forschungs- und Lehrbetrieb, die Beuth Hochschule für Technik, die Universität der Künste und die Freie Universität Berlin bieten flexible Kindebetreuung für Angestellte, Wissenschaftler aus Sonderforschungsbereichen und zum Teil sogar für ihre Studierenden an. Hier ist neben der Notbetreuung auch eine regelmäßige Betreuung gefragt und kann über sogenannte Gleichstellungsgelder in den Forschungsbudgets finanziert werden – etwa um Lücken im Anschluss an die Regelbetreuung zu schließen.

„Unser Service beruht darauf, flexibel und passgenau zu sein. Aus einem Pool von 50 bis 70 BetreuerInnen können wir für die regelmäßige Betreuung die passende Person für eine Familie finden, aber auch innerhalb von 24 Stunden eine Notbetreuung organisieren.“

 

Unternehmen setzen auf Familienfreundlichkeit

Die flexible Kinderbetreuung bildet einen Baustein zur Familienfreundlichkeit und spielt neben anderen Kriterien bei der Zertifizierung zum familienfreundlichen Unternehmen eine Rolle. Diese wird immer wichtiger, um die Attraktivität eines Arbeitgebers für qualifizierte MitarbeiterInnen dauerhaft zu steigern. Für seine Kunden organisiert KidsMobil auch Ferienprogramme, Veranstaltungs- oder Kongressbetreuung und die Betreuung im campus-eigenen Kinderzimmer, in dem von BetreuerInnen von KidsMobil beispielsweise Kinder von DoktorandInnen während ihrer Tätigkeit am Institut betreut werden. Die MitarbeiterInnen von KidsMobil haben dabei auch einen Bildungsauftrag. KidsMobil entsendet ausschließlich qualifiziertes Personal, das neben der Beaufsichtigung und Versorgung der Kinder eine Menge zu bieten hat:

„Die Aktivitäten unserer BetreuerInnen bei Kreativität, Sport und Hausaufgabenbetreuung werden von den Eltern als Plus wahrgenommen. Der überwiegende Teil unserer MitarbeiterInnen sind Studierende, die meisten davon in einem pädagogischen Studium oder einer Fachausbildung. Daneben gibt es professionelle Nannies, Tagesmütter sowie LehrerInnen oder ErzieherInnen im Ruhestand. In der Regelbetreuung ist eine längerfristige, persönliche Bindung an die jeweiligen Familien unerlässlich, was bei der Notbetreuung nicht immer der Fall sein kann. Durch unsere sorgfältige Auswahl können wir aber für die Qualifikation und die Verlässlichkeit unserer BetreuerInnen garantieren.“

 

Wachstum bei KidsMobil

BewerberInnen für den BetreuerInnen-Pool sind jederzeit willkommen. Die meisten erfahren von Kids Mobil über Empfehlungen von Bekannten oder KommilitonInnen. Pro Stunde erhalten sie je nach eigenem Ausbildungsstand und Anzahl der Kinder 11 bis 22 Euro. Das macht die Tätigkeit attraktiv – besonders, wenn durch Nacht- oder Wochenenddienste hohe Stundenaufkommen anfallen. Trotzdem ist die Höhe der Einkünfte oft nicht voraussehbar. Flexibilität in der Notbetreuung und Verlässlichkeit in der Regelbetreuung schließen den Einsatz in beiden Bereichen gewöhnlich aus. „Ob es für beide Seiten passt, ist letztendlich ein wenig Glückssache.“

Seit Bestehen konnte KidsMobil seine Angebotspalette und die Zahl der Betreuungsstunden kontinuierlich steigern; im Jahr 2015 waren es ca. 14.000. Für Koordination und Personalverwaltung ist jüngst eine zweite Mitarbeiterin eingestellt worden. Für 2016 stehen technische Neuerungen für den komplexen Verfügbarkeitskalender und die Personalakquise an.

„Der Bedarf ist enorm. Letztendlich geht es aber auch immer wieder darum, die MitarbeiterInnen in Kliniken und Universitäten über KidsMobil zu informieren, damit das Angebot von der Belegschaft wahrgenommen und genutzt wird. Wir wünschen uns, dass für alle Eltern neben Beruf oder Studium ein entspanntes Familienleben möglich ist.“


int_kidsmobil_christiane_milaChristiane Radtke studierte nach einer Ausbildung zur Vergolderin Kunstgeschichte, Erziehungswissenschaften und Sozialpädagogik in Berlin und hat Zusatzqualifikationen in Elternberatung und Leitung von Berliner Kindertagesstätten. Nach langjähriger Tätigkeit in verschiedenen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe übernahm sie 2006 den Aufbau und die Leitung von KidsMobil.

Mila Pelivan ist ausgebildete Steinmetzin, diplomierte im Fach Gesang am Konservatorium in Bozen und unterrichtete Musik, literarische Fächer und Integration an Mittelschulen in Südtirol. Neben ihrer Tätigkeit für KidsMobil studiert sie Kommunikationswissenschaft, Sozial- und Kulturanthropologie an der FU-Berlin.

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